Die Gehirnampel: Was tun bei Rot, Gelb oder Grün?

Vielleicht kennt ihr Modelle wie das dreieinige Gehirn nach Paul MacLean oder das Handmodell von Daniel Siegel. Diese versuchen, das Gehirn in verschiedene Bereiche einzuteilen. Obwohl sie sich wissenschaftlich nicht halten lassen, haben solche Modelle für uns Eltern einen praktischen Wert. Sie geben uns im Alltag eine Hilfestellung, um zu verstehen, was in unserem Kind gerade vorgeht und wie wir darauf reagieren können.

Für den Resilienisch-Kurs habe ich die Gehirn-Ampel entwickelt. Wie eine Ampel im Straßenverkehr, soll sie uns dabei unterstützen, kurz innezuhalten und nachzudenken.

 

Rot = Stopp!

Wir Erwachsenen reagieren auf Wutausbrüche und heftige Stressreaktionen unserer Kinder gerne mit vielen Worten: Wir erklären, argumentieren und wollen Lösungen finden. Das rote Stopp soll uns bewusst machen, dass dieser erste Impuls nicht hilfreich ist. Im roten Modus sind Kinder (und Erwachsene) mit Worten nicht mehr erreichbar. Wir können aber versuchen, direkt mit dem Körper zu kommunizieren. Indem wir zum Beispiel ruhig ein- und ausatmen, kurz an- und wieder entspannen oder die überschüssige Energie in Form von Bewegung wieder loswerden (hüpfen, rennen, tanzen, schütteln etc.) - dann erreicht unser Körper die Botschaft, dass die Gefahr vorüber oder eben gar nie da gewesen ist.
Wichtig ist es für uns Eltern zu verstehen, dass ein Kind, das gerade einen starken Wutanfall hat, tatsächlich in den roten Bereich geraten ist - auch, wenn wir das von außen vielleicht völlig übertrieben finden. Indem wir selbst ruhig bleiben, atmen, abwarten und wenig und ruhig sprechen, können wir das Kind am besten erreichen.
Das gelingt nicht immer, weil der rote Modus leicht ansteckend ist. Gleichzeitig kann es uns helfen, sich bewusst zu machen: Ich sehe, dass mein Kind im "roten Modus" ist, und je mehr es mir jetzt gelingt, für ein Gefühl der Sicherheit zu sorgen, desto eher wird es mein Kind schaffen, sich wieder zu beruhigen.
Im roten Modus braucht das Gehirn: SICHERHEIT.

Gelb = Achtung

Im gelben Modus ist das limbische System aktiv. Wir sind von einer Situation emotional ergriffen, sind aber (noch) ansprechbar und suchen nach einer Ausdrucksform der Emotionen. Kinder, und wenn wir ehrlich sind, auch oft Erwachsene, nörgeln und quengeln dann häufig, sind unzufrieden und wenn das unangenehme Gefühl steigt, werden wir gemein - sagen Schimpfwörter oder Beleidigen andere. Eigentlich ist das ein Zeichen dafür, dass wir noch nicht die Worte gefunden haben, um zu benennen, was eigentlich los ist. Meistens liegt ein unbefriedigtes Grundbedürfnis dahinter - unsere Gefühle sind in diesem Sinne Bedürfnis-Hüter. Wut, Angst und Trauer zeigen uns an, dass eines unserer Grundbedürfnisse bedroht oder verletzt wurde. Das kann eine aktuelle Situation oder eine Situation in der Vergangenheit betreffen. Im Resilienisch-Kurs lernen wir, für unsere Gefühle und unerfüllten Bedürfnisse eine Sprache zu finden. Hilfreich ist es für unsere Kinder, wenn wir ihnen im "gelben Modus" helfen, die richtigen Worte zu finden. Wir können zum Beispiel sagen: "Es macht dich traurig, dass du wieder eine schlechte Note hast. Du hättest jetzt echt ein Erfolgserlebnis gebraucht" (Grundbedürfnis: Selbstwirksamkeit). Wenn uns selbst die genauen Worte fehlen, können wir zum Beispiel sagen: "Ich sehe, dass du eine schwere Zeit hast. Das ist gar nicht leicht gerade...". Wenn das limbische System aktiv ist, dann hilft das Gefühl, verstanden und akzeptiert zu werden.
Im gelben Modus braucht das Gehirn: VERBINDUNG


Grün = Freie Fahrt

Im grünen Modus ist der präfrontale Kortex aktiv. Jetzt fühlen sich die meisten Erwachsenen am wohlsten: Im grünen Modus können wir klar denken, uns Lösungen überlegen und die Situation vielleicht auch aus einer anderen Perspektive betrachten. Wir können unser Verhalten reflektieren und uns überlegen, was wir das nächste Mal besser machen wollen. Es stärkt die Resilienz von Kindern, wenn wir sie hier bei der Lösungssuche mit einbeziehen. Wir könnten zum Beispiel fragen: "Hast du eine Idee, was du nächstes Mal anders machen könntest?" Oder: "Lass uns gemeinsam überlegen, wie du xy lösen kannst". Die Erfahrung, ein Problem selbst lösen zu können oder am Problemlöseprozess beteiligt gewesen zu sein, stärkt das Selbstvertrauen der Kinder. Und es ist wiederum das Vertrauen in die innere Stärke unserer Kinder, die den grünen Bereich stärkt - denn ja, auch wenn manche Probleme ganz schön knifflig sind und ich jetzt noch nicht weiß wie - es wird eine Lösung geben und der Weg dahin darf auch Zeit brauchen.
Im grünen Modus hilft dem Gehirn: VERTRAUEN

Mehr zum Resilienisch-Kurs erfahrt ihr hier:

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Wie entscheidend ist Resilienz in diesen stürmischen Zeiten?

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Ein Interview über Resilienz und Resilienisch - mit Fragen von Fabian Grolimund